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3 Regeln: Feedback geben als Kampfkunst Trainer

Feedback geben als Trainer Beitragsbild von mir wie ich beim Swiss Blades unterrichte

Feedback zu geben ist eine der wichtigsten Fähigkeiten eines Trainers überhaupt, sei es in der Kampfkunst oder in Ballsportarten. Doch gut Feedback zu geben fällt einem nicht einfach so in den Schoß.

Man kann sowohl zu viel als auch zu wenig Feedback geben, man kann nicht den richtigen Ton treffen oder schlicht Feedback dass nicht zur Situation passt.

Im historischen Fechten ist es bekanntermaßen so, dass die wenigsten Trainer eine Ausbildung in Didaktik und Trainingsmethodik erhalten haben oder selbst HEMA von einem Trainer mit guter Didaktik gelernt haben.

Feedback geben als Trainer Beitragsbild von mir wie ich beim Swiss Blades unterrichte
Ich gebe einem Workshop Teilnehmer Feedback zur Handhaltung beim Swiss Blades. Bild von Laure Bornier.

Dass HEMA so jung ist und häufig eine hemdsärmelige „Ich muss das selbst lernen“ Attitüde vorherrscht trägt dazu bei, dass es in den Vereinen an Vorbildern mangelt von denen man sich gutes Feedback und Coaching abschauen kann.

Ich werde deshalb in diesem Artikel ein Unterrichtsvideo mit exzellenter Didaktik für euch analysieren. Wer mein Didaktik Seminar 2019 besucht hat wird das Video und die Übung dazu bekannt vorkommen.

Wenn ihr mit BJJ Erfahrung habt, könnt ihr den nächsten Abschnitt überspringen und euch direkt das Video ansehen. Für alle anderen folgt eine kurze Erklärung was ihr überhaupt seht.

Über die Situation im Video

Kurz zum Hintergrund des Trainers: Matt Thornton unterrichtet seit über 25 Jahren hauptberuflich Kampfkünste und einigen von euch für sein überaus hilfreiches Aliveness Framework und die I-Method bekannt geworden. Wenn ihr schon mal einen meiner Vorträge zu Trainingsmethodik besucht habt, habt ihr mich auf jeden Fall schon von beidem erzählen hören.

Das schöne an diesem Video ist, dass er darin Rokus vom Martial Arts Journey YouTube Channel unterrichtet, der zum Zeitpunkt des Videos ein leicht fortgeschrittener Anfänger ist.

Das heißt ein Anfänger wird von einem Experten mit langjähriger Erfahrung durch eine Serie von Bewegungen gecoached. Es handelt sich hierbei also um eine echte Trainingssituation die gefilmt wird, anstatt eines Erklär- oder Demonstrationsvideos. Das findet man wirklich selten auf YouTube!

Die Techniken selbst stammen dabei aus dem Brazilian Jiu-Jitsu (BJJ). Die Grundidee im BJJ ist, dass man sobald man auf dem anderen in der Mount sitzt, von dem unten liegenden nicht herunter geworfen werden kann. Kann man von jemandem ohne Training herunter geworden werden (was im Video simuliert wird), hat man etwas falsch gemacht.

Es ist dabei nicht wichtig die Techniken oder BJJ inhaltlich zu verstehen, da wir uns auf das Feedback und coaching fokussieren wollen. Gutes Feedback ist Kampfkunst übergreifend.

Feedback geben – Die Videoanalyse

Seht euch jetzt das Video von Minute 5:05 bis Minute 6:06 und achtet darauf, wie Matt mit Rokus kommuniziert.

Ihr könnt euch gerne das komplette Video ansehen, dieser Artikel fokussiert sich allerdings auf diesen Bereich.

Matt Thornton coached Rokus durch eine Mount Situation im BJJ

Euch fallen sicherlich schon jetzt einige interessante Dinge auf, aber schaut euch den Abschnitt zuerst noch einmal an und achtet auf folgende Dinge:

  1. Verwendet Matt positive oder negative Sprache, also sagt er Don’t do this oder Do this?
  2. Wie, wann und wie viel lobt Matt die Fortschritte von Rokus?
  3. Wie viele Worte in diesem Abschnitt sind weder Lob noch technische Anweisungen?

Ich werde natürlich weiter unten auflösen was die Antworten auf diese Fragen sind, wenn ihr aber den maximalen Übungseffekt aus diesem Artikel ziehen wollt solltet ihr euch zuerst selbst Gedanken machen.

Hier meine Transkription dieses Abschnitts:

Touch your feet. Good. Relax your upper body. Hands out wide at 45°. He tries to grab an arm push your hands into the mat. Don‘t try and move it yet, just push here. Feel you have a lot of strength there. Now if you repummel. Let‘s say he‘s going here and you want to repummel, keep your elbow here and just repummel from here. Like a swivel bring your hand around the other way. Yeees. Now keep doing that a few times. Good. First push into the mat then repummel. Nice. Good, now he‘s gonna push you straight up. I want you to relax your upper body, so he‘s pushing dead weight. Good, do it again. Good. Now as he pushes swim, one hand at a time and move your shoulders as you do it. Beautiful. Back. Now try and push him straight up Zack. Keep doing that a few times. Good. Good. One hand at a time. Nice. Good. Again. Beautiful. Alright good, now let‘s go to the next motion.

Minute 5:05 bis 6:06

Okay was können wir jetzt aus diesem Abschnitt lernen? Ich gehe auf alle drei Fragen und Punkte jeweils in einem eigenen Abschnitt ein.

Effektives Feedback

Vorneweg, natürlich würde die Struktur des Feedbacks von Matt kaum etwas bewirken, wenn die Korrekturen inhaltlich Unsinn wären. Wäre Matt nicht selbst ein erfahrener BJJ Black Belt, könnte er nicht so schnell die relevanten Punkte aufgreifen und vermitteln.

Da sich dieser Artikel aber um Feedback geben dreht gehe ich davon aus, dass ihr eure eigene Kampfkunst grundsätzlich beherrscht und sie besser vermitteln lernen wollt.

Die hier beschriebenen Vorgehensweisen funktionieren dementsprechend Kampfkunst übergreifend.

Positive Sprache

Matt verwendet in seinem Feedback kaum negative sondern fast ausschließlich positive Sprache. Er benutzt Variationen von „Mach das so“ anstatt zu sagen „Tu das nicht“.

Dies ist überaus wichtig da ein „Tu das nicht“ die richtige Variante offen lässt. Woher soll ein unerfahrener Schüler wissen, was die richtige Variante ist wenn diese nicht genannt wird?

Es gibt viele Variante eine Sache anders zu machen, aber wenn es nur eine Variante gibt es richtig zu machen muss diese genannt werden. Wenn man dem Schüler ohnehin sagt, wie es richtig geht kann man ihm auch gleich nur die richtige Variante sagen.

Es ist also viel effektiver und typischerweise auch motivierender einfach direkt zu sagen, wie die Situation statt dessen gelöst werden soll. Matt nutzt also positiv formuliertes Feedback.

Wie sieht es mit Matts Sprache in Bezug auf Lob aus?

Viel Lob

Matt lobt Rokus konstant und regelmäßig nach jeder Verbesserung die vom Schüler durchgeführt wurde. Es gibt keine Verbesserung die nicht von einem Yes, Good oder Nice begleitet wird.

Die meisten von uns haben in ihrem Leben schon von jemandem gelernt, dessen Feedback vor allem aus Sätzen wie Nein so nicht! Völlig falsch! oder Was machst du denn da?! bestand. Vielleicht war es ein HEMA Trainer, vielleicht aber auch ein Lehrer, Elternteil oder Verwandter.

Wie habt ihr euch mit dieser Art des Feedbacks gefühlt? Nicht gut vermute ich. Diese Art von Feedback gibt Schülern vor allem anderen das Gefühl alles falsch und keine Fortschritte zu machen. Mein Eindruck ist, ja es gibt Leute die von Feedback dieser Art motiviert wird, aber es ist nur ein sehr geringer Teil.

Nehmt einmal an ihr konntet euch inhaltlich nichts von der Lektion merken. Bei welcher der beiden Varianten geht ihr mit einem besseren Gefühl aus dem Training? Sicherlich bei der Variante bei der ihr viel gelobt wurdet!

Die erste Hürde die Anfänger überwinden müssen um gute Trainingspartner zu werden ist ausreichend lange dabei zu bleiben. Matt kommuniziert sehr wertschätzend und vermittelt Rokus konstant das Gefühl Dinge richtig und dabei Fortschritte zu machen. Dadurch baut er ihn als Schüler in seinem Selbstvertrauen auf.

Gerade Anfänger kämpfen ständig mit dem Gefühl alles falsch zu machen (was ein Stück weit ja auch stimmt), aber sie machen natürlich auch mit jedem Training Fortschritte. Genau diese Fortschritte müssen ihnen positiv zurück gespiegelt werden.

Matt gibt also positiv formuliertes Feedback und hat eine wertschätzende Kommunikation. Doch wie effizient kommuniziert er hier?

Effiziente Kommunikation

Matt macht im ganzen Abschnitt nur drei Arten von Aussagen:

  1. Lob
  2. Technische Anweisungen der Art „Hand hier und da“
  3. Organisatorische Anweisungen der Art „Macht beide mal folgendes

Matt gibt am Anfang des Videos eine Erklärung, hierbei handelt es sich aber explizit um die Einleitung und den Kontext des Videos. Kontext ist wichtig damit ein Schüler das gelernte korrekt einordnen kann. Im Endeffekt erklärt er anfangs sowohl die Anwendungsbereiche der Techniken im Grappling, MMA und der Selbstverteidigung als auch den Übungsaufbau.

Danach folgt eine Erklärungen der benötigten Techniken selbst. Zur Erinnerung: Rokus hat keine dieser Techniken bisher angewendet und lernt sie in diesem Moment von Grund auf.

Sobald das eigentliche Coaching los geht schaltet Matt um und sagt nur noch das Nötigste. Seine Anweisungen sind dabei sehr klar und präzise formuliert.

Kaum ein Wort ist unnötig oder verschwendet. Alles zahlt direkt auf das Ziel ein, Rokus in dieser konkreten Situation zu helfen und ihn dabei aufzubauen.

Das heißt Matt gibt während der Übungen keine ausschweifenden Erklärungen, da er den Kontext des ganzen kurz und bündig vor der Übung erklärt hat. Wenn er technische Details erklärt, erklärt er auch nur genau diese.

Tod durch Information im HEMA

Gerade manche HEMA Trainer neigen dazu Rechtfertigung ihrer Interpretationen oder historischen Kontext in die eigentlichen technischen Erklärungen mit einfließen zu lassen.

Die Frage ist dann, hören alle Trainierenden die ganze Zeit zu oder haben einige nur den Teil mit der Historie gehört und bei der technischen Anweisung mental abgeschaltet gehabt?

Ein Schüler kann nur eine begrenzte Menge Information pro Übung und Trainingseinheit aufnehmen. Entweder der Trainer grenzt klar ab, was der relevanteste Teil ist und was nicht oder er lässt den weniger relevanten Teil schlicht weg.

Kommunikationsfazit

Zusammengefasst stellen wir also in der Kommunikation von Matt Thornton zu Rokus fest, dass er drei Regeln folgt:

  1. Gib Feedback mit positiven Formulierungen.
  2. Lobe jeden Fortschritt.
  3. Fokussiere dich in der Kommunikation auf das Wesentliche.

Wenn ihr diese drei Regeln erfolgreich umsetzt habt ihr gute Chancen, euch im Feedback geben deutlich zu verbessern.

Vorher-Nachher-Vergleich

Das vorher nachher Resultat wurde auf Rokus Channel nochmal separat in diesem Video zusammengefasst.

Insbesondere wenn man das technische Level direkt miteinander vergleicht ist der Unterschied in der Ausführung gewaltig.

Feedback geben ist eine Fähigkeit die man lernen und trainieren muss. Man sieht im Video wie viel Unterschied gutes und effektives Feedback in kurzer Zeit bewirken kann. Hier ist als Kampfsport und insbesondere HEMA Trainer noch viel Luft nach oben.

Feedback geben weitere Beispiele

Hier noch ein weiteres Video in dem ihr die gleichen Feedback Ansätze von Rickson Gracie z.B. ab 5:30 seht.

Der Hauptunterschied ist, dass in diesem Video kein Anfänger sondern selbst ein erfahrener BJJ Black Belt von Rickson unterrichtet wird. Das heißt, die Art und Umfang der Erklärungen unterscheiden sich vermutlich zu einem Anfängertraining.

Interessant ist insbesondere, dass Rickson sogar die aus seiner Sicht suboptimale Ausführung am Anfang lobt!

Ihr kennt weitere Videos mit guten Beispielen für Feedback? Schreibt mir gerne eine E-Mail an post@hemaguide.com

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